Das Museum Art & Cars 2 ergänzt das erste MAC am Fuß des Hohentwiel. Bauherren sind die Südwestdeutsche Kunststiftung und die Gabriela- und-Hermann-Maier-Stiftung; der Entwurf stammt von Daniel Binder. Der Neubau verdichtet Ort, Sammlung und Energiehaltung zu einer ruhigen, robusten Typologie. Worum es geht? Um klare Wege, reduzierte Öffnungen, ausgleichende Masse – und um Exponate, die in kontrollierter Dunkelheit präzise inszeniert werden.
Ort und Haltung
Der Bau steht in direkter Nachbarschaft zum MAC 1, am Stadtrand von Singen, wo der Blick zum Hohentwiel unweigerlich den Maßstab setzt. Zwei kantige Volumen bilden die Adresse, verbunden von einer vertikalen Halle. Die Anlage liest die Topografie und antwortet nicht mit Geste, sondern mit Gebautem, das die Formen des Vulkankegels aufnimmt und in eine dauerhafte Materialität übersetzt. Innen und außen dominiert das Prinzip der Führung: vom Eingang über eine Klimaschleuse in die gedämpfte Ausstellung, von dort über Brücken in weitere Räume, immer mit Bezug auf das zentrale hohe Luftelement.
Komposition und Typologie
Zwei Dome stehen Schulter an Schulter, gegliedert durch eine bis zu 18 m hohe, senkrecht organisierte Halle, die die beiden Körper zusammenschaltet. Die Volumetrie bleibt klar: geschlossene Außenflächen, tief eingeschnittene Nischen, zurückgesetzte Fenster. Die Tektonik arbeitet mit Schwere und Schatten. Nachts verstärken gerichtete Spots den plastischen Effekt, tagsüber bricht ein grob texturierter Außenputz das Licht und bindet den Bau an die mineralische Umgebung. Die Gebäudehöhe beträgt 28 m. Die Figur bleibt damit im Maßstab des Hangs, ohne in die Horizontlinie des Berges zu greifen.
Grundrissintelligenz
Die Wegeführung ist einfach: vom Foyer in die Ausstellung, dann über Brücken und Treppen durch die Geschosse. Barrierefreie Erschließung ist über einen Aufzug gegeben. Die Räume sind als Abfolge von Kammern, Galerien und Passagen organisiert; rechte Winkel sind die Ausnahme, was die Wahrnehmung der Exponate schärft und Blickachsen erzeugt, ohne die Orientierung zu verlieren. Die vertikale Halle dient als räumliches Rückgrat und als Luftraum für den thermischen Ausgleich. Die Verbindung der beiden Baukörper ermöglicht variable Rundgänge, getrennte Ausstellungen oder übergreifende Szenografien – je nach kuratorischem Bedarf.
Material und Konstruktion
Das Haus ist eine Massivkonstruktion aus Ziegelwänden, kombiniert mit Stahlbetondecken und -wänden. Nichttragende Deckenanteile sind in Hohlkörperbauweise ausgeführt, um Gewicht zu reduzieren und Spannweiten effizient zu bedienen. Die diffusionsoffene, kapillaraktive Ziegelkeramik unterstützt einen feuchtestabilen Innenraumzustand. Außen liegt ein grob strukturierter Putz, der Glaspartikel enthält und so das Tageslicht bricht; tief eingeschnittene Nischen nehmen die Öffnungen auf und schützen die Fugen. Die Bauweise setzt auf regionale Wertschöpfung: Der Ziegel kommt aus dem nahegelegenen Werk in Deisendorf, die Rohstoffe werden oberflächennah gewonnen und über kurze Wege transportiert.
Lichtführung und Abschattung
Tageslicht ist weitgehend reduziert. Die Ausstellungen arbeiten mit LED-Technik und definierten Beleuchtungszonen; UV-Anteile werden vermieden. Die geschlossenen Außenwände und tiefen Nischen begrenzen direkte solare Gewinne. Zusammen mit der großen Speichermasse und der inneren Kompaktheit vermeidet das Haus Überhitzung und liefert ruhige, kontrollierbare Lichtbedingungen – eine Voraussetzung für konservatorisch sensible Inhalte.
Energie und Technik
Leitgedanke ist, auf konventionelle Heiz-, Kühl- und Lüftungstechnik zu verzichten oder sie auf ein Minimum zu reduzieren. Der robuste thermische Standard entsteht aus Geometrie, Speichermasse und behutsamer Technik: eine träge Fußbodenheizung, eine Klimaschleuse am Eingang gegen unkontrollierten Luftwechsel und eine Strömung über hohe Raumvolumen. Der Ziegel leistet, bauphysikalisch begründet, die Feuchte- und Temperaturpufferung; so bleiben Temperaturschwankungen gering, ebenso die Schwankung der relativen Luftfeuchte – zentral für Kunst und historische Fahrzeuge.
Freiraum
Der Baukörper reagiert auf den Ort, nicht mit Außenflächen im Sinne eines klassisch gefassten Museumsplatzes, sondern mit der Setzung zweier Volumen und ihrer Fuge. Die Fassade bietet – über Nischen und Einschnitte – tiefe Übergangszonen zwischen Innen und Außen. Aus den oberen Ebenen öffnen gezielte Fensterblicke den Bezug zum Hohentwiel und zum MAC 1; die Dachzone dient Veranstaltungen und nimmt eine Terrasse auf. Die Anlage liest sich damit als Ensemble, das den Ort rahmt und ihn nicht verstellt.
Nutzung und Soziales
Die Ausstellungsräume sind auf mehreren Ebenen verteilt; zusätzlich gibt es im Dachgeschoss zwei Säle sowie ein Restaurant und eine Dachterrasse für Veranstaltungen. Das erlaubt, Besuchsströme zu entzerren und Formate zu mischen – von der stillen Betrachtung bis zum diskreten Event. Die Wege bleiben überschaubar; die Erschließung erlaubt Parallelbetrieb ohne gegenseitige Störung. Angaben zur täglichen Belegung oder zu pädagogischen Programmen liegen nicht vor.
Resümee
Das Museum Art & Cars 2 ist ein Haus der kontrollierten Bedingungen. Es setzt auf Formklarheit, Speichermasse und gezügeltes Licht, um die Sammlung verlässlich zu tragen. Die Konstruktion ist robust, der energetische Ansatz genügsam, die Figur eindeutig. Das stärkt den Ort und schafft einen Rahmen, der langfristig belastbar bleibt.

Die Hauptfassade des modernen Museumsgebäudes zeigt eine skulpturale, vertikal gegliederte Architektur mit tief eingeschnittenen Fensteröffnungen und einer rauen Putzoberfläche. Die klare, geometrische Formensprache und das monochrome Grau betonen den zeitgenössischen Charakter des Bauwerks.

Die Rückseite präsentiert sich als kraftvoller Baukörper mit vertikal betonten Fassadenstrukturen und schmalen, hochrechteckigen Fensteröffnungen. Die klare Geometrie und die rau verputzte Oberfläche verleihen dem Gebäude eine skulpturale Wirkung, die in spannendem Kontrast zur umgebenden grünen Landschaft steht.

Das Fassadendetail zeigt die präzise ausgebildete plastische Struktur der Außenwand mit tief eingeschnittenen vertikalen Linien und einer markant rauen Putzoberfläche. Licht und Schatten betonen die reliefartige Gliederung und verleihen der massiven Architektur eine subtile, fast skulpturale Tiefe.

Das Eingangsportal des Museums setzt mit seiner goldglänzenden Metallverkleidung einen markanten Akzent in der ansonsten rau verputzten, monolithischen Fassade. Die vertikal gegliederten Flächen und die präzise geometrische Ausbildung der Öffnung verleihen dem Eingang eine skulpturale Präsenz.

Die Ausstellungsräume zeichnen sich durch eine klare, skulpturale Raumstruktur aus. Gedämpftes Licht und gezielt eingesetzte Spotbeleuchtung schaffen eine konzentrierte Atmosphäre, in der die präsentierten Exponate wirkungsvoll in Szene gesetzt werden. Die Materialität des Betons unterstreicht die ästhetische Spannung.

Der zentrale Lichtdom bildet mit seinen hohen, roh belassenen Sichtbetonwänden und gestaffelten Galerieebenen einen monumentalen Innenraum. Durch gezielt eingesetzte Kunstbeleuchtung entsteht eine dramatische Raumwirkung, die die architektonische Tiefe und Materialität betont.
Partner und Experten im Überblick
Das Museum Art & Cars 2 (MAC 2) in Singen ist das Ergebnis einer außergewöhnlichen Zusammenarbeit zwischen Bauherrschaft, Architekt, Fachplanern und ausführenden Unternehmen. Mit hoher gestalterischer, technischer und handwerklicher Präzision entstand ein Bauwerk, das Kunst, Automobilgeschichte und Architektur in einzigartiger Weise vereint. Die folgende Übersicht nennt die wesentlichen Projektbeteiligten, deren gemeinsames Engagement und Fachkompetenz zur Realisierung dieses visionären Museums beigetragen haben.
Südwestdeutsche Kunststiftung, Singen
Gabriela und Hermann Maier Stiftung, Singen
Daniel Binder, Gottmadingen
Tip Top Bau, Hilzingen
Baustatik Relling, Singen
Peri, Weißenhorn
PR Company, Augsburg
Gerd Schaller, Augsburg
Wer am Fuß des Hohentwiel steht und die beiden kantigen Dome des Museum Art & Cars 2 betrachtet, hat schnell das Gefühl, dass Architektur hier nicht nur gebaut, sondern aus der Landschaft heraus gedacht wurde – wie zwei Felskörper, die sich an den Strom der Aach lehnen und zugleich die Stadt adressieren. Im Inneren: kaum ein rechter Winkel, verschachtelte Räume, eine Dramaturgie des Lichts, die mehr an eine begehbare Skulptur erinnert als an ein klassisches Museum.
Und doch ist diese Form kein Selbstzweck. Sie ist Einladung zu einer anderen Wahrnehmung – und ein produktives Spannungsfeld für das, was klimabewusstbauen als Haltung beschreibt: Sinn vor Schein, Maß vor Maximierung, Verantwortung vor Routine. Diese Perspektive nimmt ihren Ausgang nicht bei der Technik, sondern beim Menschen – und bei der Frage, was Bauen heute bedeuten kann, ohne die Zukunft zu verpfänden.
Klima als Kulturtechnik
Das energetische Konzept des MAC 2 verzichtet weitgehend auf konventionelle Heiz-, Kühl- und Lüftungstechnik. Stattdessen arbeitet das Haus mit thermischer Trägheit, Volumen, Diffusionsoffenheit und einer Hülle, die Temperatur- und Feuchteschwankungen bändigt. Das ist weniger Spektakel als Gelassenheit im Detail – und erstaunlich modern, weil es auf historische Intelligenzen des Bauens zurückgreift: dicke Wände, Speicherfähigkeit, kontrollierte Belichtung und eine Dramaturgie der Luft. Diese archaisch anmutende Modernität – das Museum als Klimamaschine aus Stoff und Form – ist gelebte Philosophie von klimabewusstbauen: Nachhaltigkeit als Haltung, nicht als Technikakkumulation.
Material als Entscheidung
Klimagerecht baut man nicht mit einem einzigen Material, sondern am Zusammenspiel. Der Slogan Nachhaltigkeit braucht kluge Entscheidungen gewinnt genau hier seine Schärfe: in den Abwägungen zwischen Herkunft, Verarbeitung, Gebrauchstauglichkeit, Dauer und Rückführung.
Beton (Tragwerk, Decken, Wandelemente, Sichtbeton): Er liefert Masse, Formbarkeit und Dauer – und damit die Grundlage für die thermische Trägheit. Seine ökologische Bürde liegt im Zement; seine Legitimation entsteht, wenn Masse Maß annimmt und lange wirkt. Hier stützt Beton nicht nur, er moderiert Klima. Kluge Entscheidung heißt: so viel wie nötig, so präzise wie möglich, mit Blick auf Lebensdauer und Rückbau.
Stahl (Tragwerk): Unsichtbar oder als klarer Taktgeber in der Struktur ermöglicht er Spannweiten, Schlankheit, Präzision. Seine Ambivalenz – energieintensive Herstellung, aber nahezu geschlossener Schrottkreislauf – verlangt ein Denken in Kreisläufen und eine Planung, die rückbaufähige Fügungen bevorzugt.
Mauerziegel (Außenwand): Regional bezogen, kapillar aktiv, diffusionsoffen – der Ziegel ist hier nicht Nostalgie, sondern Klimaarchitektur: Er dämpft Feuchte- und Temperaturschwankungen und übersetzt Landschaft in Materialkultur. Dass er aus der Nähe kommt, verkürzt Wege, stärkt Wertschöpfung und gibt dem Haus Heimat – im ganz wörtlichen Sinn.
Mörtel (als grob strukturierter Außenputz): Er ist das Bindemittel der Haltung – technisch wie symbolisch. Als Putz wird er hier bewusst inszeniert: grob texturiert, mit Kristall- und Glaseinschlüssen, die das Sonnenlicht brechen und dem Volumen eine funkelnde, fast geologische Haut geben. Ein erinnert unscheinbarer Stoff bekommt Auftritt – und zeigt, dass Verbindungen ebenso gestaltbar sind wie Körper.
Aluminium (Fensterrahmen): Schlanke Profile, Präzision im Detail, Dauerhaftigkeit. Die Kehrseite – energieintensive Primärherstellung – fordert die kluge Entscheidung: Reduktion auf notwendige Öffnungen, Langlebigkeit in Beschlag und Oberfläche, idealerweise hoher Sekundäranteil. In Verbindung mit Glas trägt Aluminium Großzügigkeit, ohne die Hülle zu schwächen.
Massives zweireihiges Ziegelmauerwerk und Sichtbetonelemente bilden die Gebäudehülle.
Aluminiumprofile für die Fensterelemente und die manuellen Lüftungsklappen.
Grob strukturierter Außenputz mit eingearbeiteten Kristallglasfragmenten.
Glas (großzügige Verglasungen, Balkonbrüstungen im Veranstaltungsgeschoss): Es choreographiert die Beziehung zwischen Innen und Außen – im Museum Licht als Material. Doch Glas verlangt Maß; großflächige Verglasung ist ein Versprechen und eine Aufgabe. Der kluge Einsatz liegt in Orientierung, Mehrfachfunktion (Licht, Schutz, Inszenierung) und in langlebigen, rückführbaren Systemen.
In der Summe entsteht kein Materialdogma, sondern ein Materialdialog. Jeder Stoff bringt Lasten und Chancen mit; erst in der orchestrierten Kombination zeigt sich klimabewusstes Bauen als Kulturtechnik des Abwägens. Genau diese Abwägung ist der Kern der Haltung: Nachhaltigkeit braucht kluge Entscheidungen.
Licht, Masse, Ruhe – eine Ethik des Weglassens
Im MAC 2 wird Tageslicht radikal dosiert. Das Haus inszeniert Dunkel und Glanz, Schutz und Offenheit – nicht nur der Kunst wegen, sondern auch als Energie-Ethik: Was nicht hereindringt, muss nicht kompensiert werden.
Die dicken, massiven Ziegelwände, die geschlossenen Außenflächen und das große Luftvolumen verlangsamen jeden Lastwechsel. Das ist scheinbar passiv – tatsächlich aber hoch aktiv, weil es Planungsvorräte schafft: für Hitzetage, Besucherströme, Feuchteereignisse. So wird Verzicht auf Technik nicht zum Verzicht auf Komfort, sondern zur anderen Form von Komfort: stille Stabilität.
Sinn vor Schein – das Projekt als Haltung
klimabewusstbauen nennt fünf Grundsätze: Freiwilligkeit, Eigenverantwortung, Perspektivwechsel, Miteinander, Zufriedenheit durch Maß. Das MAC 2 liest sich wie eine konkrete Übersetzung dieser Leitgedanken: Freiwillig wurde eine komplexe Form in ein einfaches Klima-Prinzip überführt; Verantwortung zeigt sich im regionalen Material und im Reduktionsmut; der Perspektivwechsel wird räumlich erfahrbar, das Miteinander von Bauherr, Planung und Ausführung ist spürbar – und die Zufriedenheit entsteht aus der stimmigen Angemessenheit des Ganzen.
Das MAC 2 gibt keine endgültigen Antworten. Es ist ein Versuch, ein Vorschlag, ein Kompass: Wie können wir mit weniger Apparate-Glauben und mehr Stoff-Intelligenz bauen? Wie übersetzen wir Landschaft in Struktur, Klima in Form, Verantwortung in Gestaltungsentscheidungen? Vielleicht beginnt klimabewusstes Bauen dort, wo wir – Architekten, Bauherrschaften, Planender – langsamer werden: langsamer im Aufheizen, langsamer im Urteilen, schneller im Lernen.
In diesem Sinne zeigt das MAC 2, was ein Vorzeigeobjekt leisten kann: Es protzt nicht mit Effizienz – es praktiziert Maß. Es feiert nicht das Material – es befragt es. Und es predigt nicht Nachhaltigkeit – es entscheidet klug. Nachhaltigkeit braucht kluge Entscheidungen – hier ist der Satz keine Parole, sondern Bauweise.
