Holzfaser

Dämmung aus Reststoffen

Holzfaserplatten und -matten entstehen oft aus Resten der Sägeindustrie – Nebenprodukte, die im Bauwesen ein neues Leben erhalten. Als Dämmstoff verbinden sie bauphysikalische Stärken mit dem Gedanken der Kreislaufwirtschaft. Holzfaser ist atmungsaktiv, speichert Wärme, schützt vor Schall und trägt zu einem angenehmen Raumklima bei

 

Wer über Holzfaser nachdenkt, begegnet einem Material, das die Frage stellt: Wie können wir vorhandene Ressourcen so nutzen, dass sie möglichst lange und sinnvoll im Umlauf bleiben?

Holzfasern als Rohmaterial. Foto: pixabay
Ein Stoff, viele Facetten

Holzfaserdämmstoffe bestehen aus den Fasern von Nadel- oder Laubholz, die durch mechanische Aufbereitung aus Resthölzern gewonnen werden. Durch thermische und physikalische Verfahren entstehen Platten oder Matten, die ohne oder mit geringen Bindemittelzusätzen formstabil sind.

Die bauphysikalischen Eigenschaften sind markant: geringe Wärmeleitfähigkeit, hohe Wärmespeicherfähigkeit, gute Schalldämmung und Diffusionsoffenheit. Holzfaser kann Feuchtigkeit puffern und trägt damit zu einem ausgeglichenen Raumklima bei.

In der Baugeschichte ist Holzfaser ein vergleichsweise junges Material, das im Zuge der ökologischen Baubewegung seit den 1980er-Jahren an Bedeutung gewann. Heute ist es fester Bestandteil vieler nachhaltiger Baukonzepte.

Sinnvolle Verwendung

Holzfaser eignet sich für Außenwände, Dächer, Böden und Innenwände. Als Aufsparrendämmung verbessert sie den Hitzeschutz im Sommer, in Gefachen wirkt sie schalldämmend. In Putzträgerplatten wird Holzfaser zur Grundlage für Fassadengestaltungen, im Bodenaufbau dient sie als Trittschalldämmung.

Material im Zusammenspiel

Holzfaser arbeitet besonders gut mit anderen diffusionsoffenen Baustoffen zusammen. In Kombination mit Lehm- oder Kalkputzen verstärkt sie die Fähigkeit zur Feuchteregulierung. Mit Holzrahmenkonstruktionen bildet sie ein homogenes System, das bauphysikalisch stimmig wirkt. Selbst im Zusammenspiel mit moderner Technik – etwa Luftdichtungsbahnen oder Fußbodenheizungen – behält Holzfaser ihre klimaregulierende Rolle.

Zwischen Herkunft und Zukunft

Die Herkunft der Holzfasern ist meist regional: Sägerestholz und Verschnitt, die sonst energetisch verwertet würden, erhalten eine neue Nutzung. Damit steht Holzfaser für den Gedanken der Kaskadennutzung.

Die Zukunftsperspektiven liegen in einer weiteren Steigerung der Recyclingfähigkeit, in der Entwicklung bindemittelfreier Platten und in einer stärkeren Vernetzung mit anderen ökologischen Baustoffen. Gleichzeitig bleibt offen, wie viel Holz langfristig für Bau und Dämmstoffe verfügbar ist – angesichts wachsender Nachfrage und begrenzter Waldressourcen.

Holzfaserfüllung in Mauerziegel. Foto: Gerd Schaller
Material im Lebenszyklus

Umweltproduktdeklarationen (EPDs) für Holzfaserdämmstoffe zeigen:

• Herstellung: Energieaufwand beim Aufschluss und Trocknen der Fasern ist relevant. Gleichzeitig speichert das Material biogenes CO₂ aus der Wachstumsphase des Holzes.

• Nutzung: Holzfaser ist langlebig, emissionsarm und verbessert das Raumklima. Ihre Wärmespeicherfähigkeit trägt besonders im Sommer zum Komfort bei.

• End-of-Life: Holzfaser kann thermisch verwertet werden, wobei das gespeicherte CO₂ freigesetzt wird. Teilweise ist eine stoffliche Wiederverwendung möglich.

Die Ökobilanz zeigt: Holzfaser wird besonders nachhaltig, wenn sie aus regionalen Reststoffen hergestellt wird und über viele Jahrzehnte genutzt bleibt.

Keine einfache Wahrheit

Holzfaser punktet ökologisch und bauphysikalisch – und doch ist sie nicht frei von Ambivalenzen. Der Energieaufwand für die Herstellung ist höher als bei anderen Naturdämmstoffen, da das Zerfasern und Trocknen energieintensiv ist. Auch Transport und Lagerung erfordern Sorgfalt, da das Material empfindlich gegenüber Feuchtigkeit bleibt.

Zudem konkurriert die Nutzung von Holz als Dämmstoff mit anderen Verwendungen – vom Bauholz bis zur energetischen Nutzung. Hier zeigt sich ein Zielkonflikt, der nicht einfach aufzulösen ist.

Material als Haltung

Holzfaser ist mehr als Dämmstoff. Sie verkörpert den Gedanken, das Vorhandene weiterzunutzen, Kreisläufe zu schließen und Ressourcen nicht vorschnell zu verbrauchen.

Wer Holzfaser einsetzt, entscheidet sich für ein Material, das technisch zuverlässig und zugleich kulturell aufgeladen ist – als Zeichen für den respektvollen Umgang mit Holz, einem der ältesten Baustoffe der Menschheit.

Ein Haus mit Holzfaserdämmung erzählt von der Suche nach Balance: zwischen technischer Effizienz und ökologischer Verantwortung, zwischen Tradition und Innovation. Holzfaser macht sichtbar, dass nachhaltiges Bauen nicht nur aus Neuem entsteht, sondern aus der bewussten Weiterführung dessen, was bereits vorhanden ist.

Titelfoto: Gerd Schaller