Innenhof als Rückzugsraum

Hofbebauung Braubachstraße – präzise Nachverdichtung in Frankfurts historischer Mitte

Eine Objektreportage in Zusammenarbeit mit
                 

Zwischen Dom und Römer, wo die Stadt dicht und vielstimmig ist, öffnet sich ein stiller Hof. Hier verdichtet sich Frankfurt nicht über Höhe, sondern über Haltung: mit einem kompakten Neubau, der sich in den Block einfügt, eigene Räume schafft und die Geschichte des Ortes respektvoll weiterschreibt.

Adresse mit Erinnerung

Die Braubachstraße gehört zu jenen kurzen, intensiven Stadträumen, die Frankfurt prägen: nur wenige hundert Meter lang, gesäumt von Museen, Cafés und der rekonstruierten Altstadt – ein urbanes Kontinuum zwischen Gegenwart und Geschichte. In dieser Nachbarschaft, unweit von DomRömer-Areal und Museum Moderne Kunst, liegt der Eingang zur Hofbebauung; der Neubau ordnet die rückwärtige Parzelle und schärft den Innenbereich des Blocks zu einem nutzbaren, introvertierten Stadtraum. Die Lage erklärt den Geist des Projekts: mitten in der Stadt, aber bewusst im zweiten Glied.

Stadtschicht in zweiter Reihe

Die Setzung folgt dem Maß der Umgebung: ein klarer Baukörper, der die Kanten des Hofs aufnimmt, Sichtachsen wahrt und die Belichtung der Nachbargebäude respektiert. West- und Ostfassade sind präzise gegliedert; Balkone und Loggien tragen in die Tiefe des Hofes, ohne ihn zu überladen. Der Neubau schließt Lücken, schafft Adressen – und bleibt dabei ein leiser Baustein im Gesamtgefüge.

Grundriss mit innerer Ruhe

Im ersten Obergeschoss zeigt sich das Prinzip: ein klar organisierter Wohnriss, der Zonen statt Zimmerhäufung kennt. Zwischen Entree und privatem Schlafbereich spannt sich ein weiter, lichter Lebensraum für Kochen, Essen und Wohnen. Ein Bibliotheks-/Arbeitsbereich als ruhiger Gegenpol, Bad und Gästezimmer als ergänzende Module. Balkon und Terrasse erweitern den Grundriss nach außen, setzen Rücksprünge und geben dem Hof ein feines Relief. Die Wege sind kurz, die Bereiche lesbar – Alltag als ruhige Choreografie.

Materialität und Konstruktion

Die Hoflage verlangt nach Robustheit und Maßhaltigkeit – konstruktiv wie atmosphärisch. Der Bau folgt einer ruhigen, massiven Logik: tragfähige Außenwände, kompakte Spannweiten, homogene Putzflächen. Fensteröffnungen sind differenziert gesetzt, um Tageslicht zu ziehen und unerwünschte Einblicke zu vermeiden. Die Fassaden arbeiten mit Tiefe: Laibungen, Brüstungen, eingezogene Loggien. Dadurch entsteht ein Wechselspiel aus Licht, Schatten und Schutz – ein wesentlicher Beitrag zu sommerlicher Behaglichkeit und zur Langlebigkeit der Hülle.

Innen und Außen – eine stille Dramaturgie

Die hofseitigen Außenräume übernehmen gleich mehrere Rollen: Übergang, Filter, Erweiterung. Ein schmaler Balkon als tägliche Schwelle; eine tiefer gezogene Terrasse für das lange Licht der Abende. So bleibt der Hof zugleich privat und gemeinschaftlich. Der Außenraum ist nicht Kulisse, sondern Teil des Wohnens – belastbar genug für Alltag, fein genug für Momente.

Energie, Klima, Komfort

Der Entwurf stützt sich auf einfache, wirksame Mittel. Die kompakte Bauform reduziert die Hüllfläche; die differenzierte Öffnungsstrategie begrenzt Lastspitzen im Sommer. Massive Bauteile puffern Temperaturverläufe, während verschattungsfähige Öffnungen und Loggieneinschnitte die direkte Einstrahlung steuern. Das Ergebnis ist ein verlässlicher Komfort ohne apparative Überformung – genau die Art von technischer Vernunft, die im dichten Stadtraum zählt.

Arbeiten, Wohnen, Ankommen

Die Hofbebauung ist mehr als eine private Adresse. In unmittelbarer Nachbarschaft finden sich öffentliche Nutzungen und städtische Initiativen – Orte des Austauschs, an denen Stadtentwicklung diskutiert und gezeigt wird. Das Wohnen im Hof profitiert von dieser Vielfalt, ohne ihre Lautstärke zu übernehmen. Es entsteht ein mikrourbanes Gleichgewicht: draußen die Stadt, drinnen die Ruhe.

Architektonische Handschrift

Die Planung zeichnet sich durch ein sorgfältiges Verhältnis von Disziplin und Großzügigkeit aus. Die Ansichten bleiben klar; die Tektonik folgt den Grundrissen. Keine stilistische Pose, stattdessen präzise Details: sauber gefasste Öffnungen, belastbare Brüstungen, logische Fügungen. Gerade in der Nachverdichtung zeigt sich Qualität nicht im Spektakel, sondern im Gelingen des Ganzen – im Takt der Räume, in der Lesbarkeit der Erschließung, in der Robustheit der Materialien.

Kontext: Stadt in Schichten

Frankfurts Mitte ist von Überlagerungen geprägt – Rekonstruktion, Neubau, Umnutzungen. In diesem Gefüge wird der ruhige Innenhof zum wertvollen Gegenpol. Er ist kein exklusiver Rückzug, sondern Teil einer Stadt, die in Ringen funktioniert: Straße – Passage – Hof – Wohnung. Die Hofbebauung Braubachstraße ergänzt diese Sequenz um einen klaren, zeitgemäßen Baustein, der das Vorhandene stärkt, statt es zu übertönen.

Resümee
Die Hofbebauung in der Braubachstraße zeigt, wie sensible Verdichtung in historischer Umgebung gelingen kann: mit einer kompakten, ruhigen Architektur; mit Grundrissen, die Alltag und Rückzug ausbalancieren; mit einer Hülle, die Klima und Kontext ernst nimmt. Ein Haus, das nicht versucht, die Stadt zu übertönen, sondern ihr einen stillen, belastbaren Innenraum schenkt – mitten im Zentrum und doch in wohltuender Distanz.

Projektansichten

Projektbeteiligte

Partner und Experten im Überblick

Die nachfolgende Übersicht listet sämtliche Projektbeteiligten der Hofbebauung Braubachstraße auf. Sie umfasst alle maßgeblichen Akteure aus Planung, Ausführung und Herstellung, die gemeinsam zur Realisierung des Projekts beigetragen haben. Die Angaben bieten einen transparenten Überblick über die interdisziplinäre Zusammenarbeit und die beteiligten Fachbereiche.

Architekten

Andreas J. Keller, Frankfurt am Main

Bauleitung

AIP, Offenbach

Beton und Stahlbeton

Krieger und Schramm, Frankfurt

Metall- und Stahlbau

Metallbau Lehr, Mainz

Putz

Caparol, Ober-Ramstadt

Fenster

Hölz Fenster, Ellern

Bad

Vola, München

Kommunikation

PR Company, Augsburg

Fotografie

Gerd Schaller, Augsburg

klimabewusstes Bauen als Maß der Dinge

Zwischen Dom und Römer, in einem Gefüge, das von Erinnerung und Gegenwart gleichermaßen durchpulst ist, liegt die Braubachstraße. Hier verdichtet sich Stadt zu einem Gewebe aus Wegen, Blicken, Geschichten – und in eben dieses Gewebe fügt sich die Hofbebauung Braubachstraße 7a ein. Das Projekt von Andreas J. Keller ist keine heroische Geste, sondern eine präzise Setzung im Bestand: Innenverdichtung statt Außenverbrauch, Reparatur statt Expansion, konkret vor Ort statt abstrakt auf der grünen Wiese.

Für klimabewusstbauen beginnt Nachhaltigkeit nicht mit einer Liste der richtigen Produkte, sondern mit einer Haltung: Sinn vor Schein, Freiwilligkeit vor Zwang, Miteinander vor Sololösung. Das Leitbild erinnert uns daran, Wirkung, Verhältnismäßigkeit und Menschlichkeit zum Maßstab jeder Entscheidung zu machen – besonders dort, wo Stadt weitergeschrieben wird und nicht neu beginnt.

Höfe sind die leisen Lungen der Stadt. Sie öffnen Luft und Licht, ohne Lärm zu werden; sie stiften Nähe, ohne zu bedrängen. Die Hofbebauung an der Braubachstraße liest diesen Ort als Ressource: vorhandene Infrastruktur, kurze Wege, gemischte Nutzungen, eine Umgebung, die Identität bereits mitliefert. In diesem Kontext ist Bauen weniger Behauptung als Anschluss – ein behutsames Weiterdenken dessen, was da ist. Genau hier liegt die Schnittmenge mit der Philosophie von klimabewusstbauen: Veränderung durch Perspektivwechsel, Zufriedenheit durch Sinn und Maß. Statt Perfektionsversprechen: ein Kompass.

Die Materialität folgt diesem Kompass – nicht als Materialfetisch, sondern als Ensemble kluger Entscheidungen. Nachhaltigkeit braucht kluge Entscheidungen. So einfach, so fordernd.

Beton und Stahl tragen: Sie sind das Rückgrat der Konstruktion – ökologisch ambivalent, zugleich unverzichtbar –, deren Maßstab über die Klimawirkung mitentscheidet. Beton bringt Speichermasse, Robustheit, Dauer; Stahl ermöglicht Schlankheit und Fügung. Entscheidend ist das Wie: sparsam dimensioniert, langlebig genutzt, rückbaubar gedacht.

Mauerziegel bilden die Außenwand: ein kulturell vertrauter, technisch ausgereifter Baustein, der Wärme speichert, Schall dämmt und Beständigkeit verspricht – bei ehrlicher Auseinandersetzung mit der Energie des Brennens und der Notwendigkeit, lange Nutzungszyklen auszuschöpfen.

Steinwolle dämmt: verborgen und wirksam, mit klaren Stärken bei Brand- und Schallschutz; ihre Energie-Spitzen in der Herstellung verlangen nach der Gegenleistung langer, störungsfreier Nutzung.

Ziegelmauerwerk mit Steinwollfüllung und ein Tragwerk aus Stahlbeton bilden die Gebäudehülle.

Die Putzfassade, Holz-Alu-Fenster, Edelstahl und Cortenstahl prägen das Erscheinungsbild.

Charakteristisches Design der weit auskragenden Balkone aus Stahlbeton mit Zinkverblechung.

Mörtel fügt und verputzt: das unsichtbare Bindeglied, das Verantwortung im Kleinen zeigt – denn auch das Verbindende prägt den Lebenszyklus.

Glas öffnet: viel Licht, viel Dialog – aber in bewusster Dosierung, damit Transparenz nicht zur energetischen Unwucht wird. Hochwertige Verglasungen zahlen über die Zeit auf die Bilanz zurück.

Aluminium rahmt außen, Holzoberflächen berühren innen: hier zeigt sich, wie Gegensätze produktiv werden. Aluminium bringt Präzision und Dauer im Wetter, doch fordert konsequentes Recyclingdenken; Holz vermittelt Wärme, Haptik, Ruhe – ein Versprechen an den Alltag und an die Pflegekultur.

Naturstein erdet Wege und Räume drinnen wie draußen: gewachsene Materie, deren ökologische Qualität mit Herkunft und Nutzungsdauer steht und fällt. Regionalität und Wiederverwendung sind hier die leisen, aber wirksamen Hebel.

In Summe entsteht kein „Materialmix der Tugenden“, sondern ein System des Ausgleichs: Masse dort, wo sie Komfort und Robustheit verbessert; Leichtigkeit dort, wo sie Öffnung und Effizienz ermöglicht; Technik dort, wo sie dauerhaft schützt. Der Hof wird so zum Labor einer Kulturtechnik, die „Stadt“ nicht nur baut, sondern bearbeitet: Schrittweise, lernend, im Team – mit Architekt*innen, Handwerk, Verwaltung, Nachbarschaft. Genau dieses Miteinander nennt das Leitbild einen Katalysator für Transformation.

Auch die Adresse ist kein Zufall. Die Braubachstraße ist Schnittstelle von Geschichte und zeitgenössischem Stadtleben. Eine Hofverdichtung hier ist mehr als Flächeneffizienz: Sie stärkt das urbane Rückgrat, sie rückt Funktionen zusammen, sie verkürzt Wege – ein Beitrag zur Suffizienz durch Lagequalität.

klimabewusstbauen ist kein Zertifikat an der Fassade. Es ist eine Praxis der Abwägung. Die Hofbebauung Braubachstraße 7a zeigt, wie diese Praxis aussehen kann: innen statt außen wachsen, vorhandenes Potenzial heben, Material als Haltung begreifen. Jedes Bauteil erzählt von Entscheidungen: Beton und Stahl – im rechten Maß; Ziegel und Steinwolle – als robustes, gedämmtes Gefüge; Mörtel – als leise, aber wirksame Verbindung; Glas und Aluminium – dosierte Transparenz; Holz und Naturstein – Berührung und Dauer. Nachhaltigkeit braucht kluge Entscheidungen. Nicht eine, sondern viele – im Zusammenspiel.

Dieser Hof ist kein Endpunkt. Er ist eine Einladung, weiterzudenken: Wie schließen wir Kreisläufe konsequenter? Wie verlängern wir Nutzungen, bevor wir ersetzen? Wie stärken wir das Miteinander der Akteure? Die Philosophie von klimabewusstbauen gibt keinen Masterplan, aber sie liefert eine Richtung: Sinn statt Schein, Maß statt Maximum, Dialog statt Dogma. In Frankfurt, in der Braubachstraße – und überall dort, wo Stadt nicht neu erfunden, sondern gut weitergebaut wird.