Mauerziegel

Gebrannter Ton für tragende Strukturen

Mauerziegel zählen zu den ältesten Baumaterialien der Menschheit. Sie sind gebrannter Ton, der seit Jahrtausenden Wände formt, Räume definiert und Städte prägt. Heute begegnen uns Ziegel in unterschiedlichen Formaten und Qualitäten – von Vollziegeln bis zu modernen Hochlochziegeln.

 

Ihre Verbreitung macht sie selbstverständlich, doch ihre ökologische Bedeutung und ihre kulturelle Prägung laden dazu ein, neu über sie nachzudenken. Mauerziegel stehen für Beständigkeit – und zugleich für die Frage, wie ein uraltes Material in einer nachhaltigen Baukultur weiterwirken kann.

Mauerer beim Versetzen eines Ziegels im Mörtelbett. Foto: Gerd Schaller
Ein Stoff, viele Facetten

Mauerziegel bestehen aus Ton, Lehm oder tonhaltigem Schluff, der geformt und bei Temperaturen um 900 °C gebrannt wird. Durch die mineralische Umwandlung entstehen feste, wetterbeständige Bausteine, die in Form, Größe und Lochbild variieren.

Historisch sind Ziegel weltweit verbreitet – von der Antike über das Mittelalter bis zur Industrialisierung. In vielen Regionen prägen sie das Bild ganzer Städte. Ihre Farbigkeit reicht von hellem Ocker bis zu tiefem Rot, abhängig vom Eisenoxidanteil im Ton und vom Brennverfahren.

Technisch zeichnen sich Mauerziegel durch Druckfestigkeit, Wärmespeicherfähigkeit und gute Brandsicherheit aus. Moderne Varianten sind durch Lochungen oder porosierende Zusätze leichter und besitzen verbesserte Wärmedämmeigenschaften.

Sinnvolle Verwendung

Ziegel eignen sich für tragende und nichttragende Wände, für Außen- wie Innenmauerwerk, für Keller- wie Dachgeschosse. Ihre Eigenschaften verbinden statische Stabilität mit bauphysikalischen Vorteilen wie Wärmeschutz und Schalldämmung.

Material im Zusammenspiel

Im Mauerwerk wirken Ziegel stets im Verbund mit Mörtel oder Dünnbettkleber. Ihre Leistungsfähigkeit entfaltet sich im Zusammenwirken mit Putz, Dämmstoffen oder Vorsatzschalen. Außenwände aus Ziegeln können einschalig, zweischalig oder als Teil hybrider Konstruktionen ausgeführt werden.

Im Innenraum bieten sie Masse für thermische Speicherfähigkeit, die in Kombination mit Dämmstofffüllungenaus Steinwolle, Glaswolle oder Holzfasern zusätzliche energetische Vorteile bringt.

Zwischen Herkunft und Zukunft

Die Herkunft der Ziegel liegt im regional verfügbaren Ton. Der Abbau hinterlässt Spuren in der Landschaft, doch oft entstehen nachgenutzte Biotope oder Gewässer. Der Brennprozess ist energieintensiv und traditionell mit fossilen Brennstoffen betrieben, doch die Branche arbeitet zunehmend an Dekarbonisierung durch elektrische Öfen oder die Nutzung von grünem Wasserstoff.

Zukunftsperspektiven liegen in der weiteren Optimierung der Wärmedämmeigenschaften, in der Integration von Recyclingmaterialien und in der Erschließung neuer Bauweisen, die Ziegel mit Holz, Beton oder Lehm kombinieren. Auch digitale Fertigungsprozesse und vorgefertigte Wandscheiben eröffnen Potenziale für ressourcenschonendere Ziegelformen.

Rohbau eines Mehrfamilienhauses aus Mauerziegeln. Foto: Gerd Schaller
Material im Lebenszyklus

Umweltproduktdeklarationen (EPDs) für Mauerziegel verdeutlichen:

• Herstellung: Tonabbau und Brennprozess dominieren die Umweltwirkungen. CO₂-Emissionen entstehen vor allem durch den Energieeinsatz in den Brennöfen. Smogbildung, Versauerung und Verbrauch fossiler Ressourcen sind relevante Wirkungen.

• Nutzung: Ziegel sind langlebig, wartungsarm und tragen durch ihre Wärmespeicherfähigkeit zu stabilen Raumklimata bei. Ihre Lebensdauer übersteigt oft die eines einzelnen Gebäudes.

• End-of-Life: Beim Rückbau sind Ziegel nur bedingt wiederverwendbar, da Mörtelanhaftungen eine sortenreine Nutzung erschweren. Zunehmend werden Ziegelbruch und -mehl als Recyclingmaterial im Straßenbau oder in neuen Ziegeln eingesetzt.

Die Lebenszyklusperspektive zeigt: Ziegel sind dann nachhaltig, wenn ihre lange Lebensdauer genutzt und ihre Rückführung in Kreisläufe verbessert wird.

Keine einfache Wahrheit

Ziegel gelten als robust, beständig und vertraut. Doch diese Selbstverständlichkeit verstellt leicht den Blick auf ihre Herausforderungen. Der hohe Energieaufwand beim Brennen verursacht erhebliche CO₂-Emissionen. Gleichzeitig stehen die Langlebigkeit und die Wartungsarmut auf der Habenseite.

Ein Spannungsfeld entsteht: Sind Ziegel ökologisch vertretbar, wenn sie energieintensiv hergestellt werden, aber über viele Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte nutzbar bleiben? Eine einfache Antwort gibt es nicht. Vielmehr zeigt sich, dass Ziegel Teil einer Kultur sind, die mit Zeit, Dauer und Verantwortung umgehen muss.

Material als Haltung

Mauerziegel sind Bausteine im wörtlichen Sinn. Wer mit ihnen arbeitet, baut Stein für Stein – bewusst, tastend, rhythmisch. Es entsteht nicht nur eine Wand, sondern ein Gefüge. Vielleicht liegt darin auch ein besonderer Impuls: Dass sich das Ganze erst im Zusammenwirken zeigt.

Der Ziegel erlaubt keine Willkür. Er verlangt Genauigkeit, Planung, Geduld. Und belohnt mit einer Qualität, die nicht laut ist, aber lange bleibt. Mauerziegel erinnern uns daran, dass Bauen nicht nur technische Notwendigkeit ist, sondern auch kulturelles Handeln – ein Dialog zwischen Vergangenheit und Zukunft, zwischen Stoff und persönlicher Einstellung.

Wer Ziegel wählt, entscheidet sich für ein Material, das Verantwortung durch Dauer übernimmt. Es zeigt, dass Nachhaltigkeit nicht nur in Innovation liegt, sondern auch in der Fortführung von Traditionen, die an Zeit und Generationen denken.

In einer Welt voller beschleunigter Prozesse ist der Mauerziegel fast ein Anachronismus – oder ein Gegenentwurf: reduziert, robust, rational. Und genau darin liegt seine Würde.

Titelfoto: Gerd Schaller